Schmerz
Autor: Fehu
“Jedes Mal, wenn Ihr in Zukunft an einer Laterne, einem Baum oder einer Parkbank vorbei lauft, bleibt kurz stehen und nehmt Euch die Zeit mit der bloßen Faust dagegen zu schlagen – Zuerst nicht fest und Ihr werdet sehen, daß der Schlag mit der Zeit immer fester und stabiler werden wird und es irgendwann gar nicht mehr schmerzt“. Unmittelbar nach diesen Worten schlug unser Trainer mit der geballten Faust und voller Wucht gegen eine Steinwand. Es machte den Eindruck als würde es ihm nichts ausmachen. Schmerzen hatte er nicht.
Wir treiben Krafttraining zu Hause oder gehen in eine Einrichtung mit Maschinen um die eigene Kraft zu steigern und gut auszusehen, vielleicht gehen wir ab und an auch in den Wald oder Park ein wenig laufen. Im besten Fall wachsen unsere Muskeln und wir merken schnell, daß aus 30 Minuten Laufen 60 Minuten werden können – vorausgesetzt, wir betreiben das Training kontinuierlich. Den Willen aufzubringen Krafttraining oder Konditionstraining regelmäßig zu betreiben ist für den einen oder anderen bereits Leistung genug. Soweit so gut – soweit nichts Neues.
Anpassungsprozesse sind immer nur so gut wie der Reiz, der gezielt gesetzt wurde. Und das gilt für alles. Für das Boxen heißt das: Lasse ich meine Bauchmuskeln nicht spüren wie hart ein Box-Paddel gegen sie stoßen kann und ich gezwungen bin sie anzuspannen, so lerne sie nicht wie sich ein fester Schlag gegen den Bauch anfühlen wird – geschweige wie man den man die Muskulatur gezielt ansteuert. Schlage ich mit eben diesem Paddel nicht gegen den Oberschenkel, Brust oder was auch immer, werde ich im Ernstfall überrascht sein, wie sehr es schmerzen kann. Neben dem Paddel bietet sich auch die blanke Faust, der Ellbogen, das Knie und der Fuß an – wohlgemerkt: immer auf den Muskel. Blaue Flecken sind inklusive – früher nannten wir das „faules Fleisch“ – Keine Sorge, das geht auch wieder weg.
Die Erfindung ist nichts Neues und entspricht Alt-Bewährtem. Heute nennt man es Faszien Training (der Bindegewebs-Sack, der um jeden Muskel herum liegt) – Bindegewebstraining. Doch der Umgang mit Schmerz kann für den einen oder anderen etwas Neues sein – es ist mehr als Bindegewebstraining. Es ist Abhärtung sowohl physischer als auch mentaler Natur. Im konventionellen Krafttraining besteht die physische Grenze im Weiterführen der Wiederholungen innerhalb eines Satzes über das typische „Brenngefühl“ hinaus. Die mentale Grenze besteht darin, den Willen aufzubringen tatsächlich mehr Wiederholungen zu schaffen als man kann und nicht aufzugeben. Für den Anfang nicht schlecht, doch es geht noch weiter. Krafttraining dient als Grundvoraussetzung für den nächsten Schritt - dem Boxen oder ähnliches.
Neben den physiologischen Vorteilen wie z.B. Verbindung der Muskelketten aus dem vorangegangenen Krafttraining, verbesserte Gewebsadaptation des Sehnen- und Bänderapparates aufgrund höherer Durchblutung, sowie weitaus höherem präventiven und rehabilitativen kardio-metabolischen Effekten, ist die Reizsetzung im Boxen aufgrund von Schmerz tiefgreifender. Physisch wird erlernt, Schmerz und Schaden auszuhalten und natürlich auch auszuteilen sowie einem Feind körperlich-konditionell fit entgegen treten zu können. Mental wird zum einen erlernt, auf die eigenen Fertigkeiten vertrauen zu können, sie einschätzen zu können und zum anderen einem Feind mit vollem Bewußtsein entgegen treten zu können. Beide Dimensionen sind trainingsdidaktisch steigerungsfähig und unter vertraulich-kameradschaftlichen Voraussetzungen intensiver gestaltbar.
Hier möchte ich eine von vielen Möglichkeiten vorstellen, körperlichen und mentalen Schmerz auszuhalten und die eigene Widerstandfähigkeit zu trainieren – zu lernen, den Schmerz zu umarmen und zu einem Teil von Euch werden zu lassen – einige kennen diese Methode sicherlich bereits.
Die Befreiung. Eine Variante nenne ich die Befreiung. Ein Kamerad (das Opfer) liegt auf dem Boden - zusammengekauert wie ein Paket, Arme vor dem Gesicht. Die anderen ca. 3-4 Kameraden (die Angreifer) schlagen und treten (vorerst gezielt auf die Muskeln und nicht ernsthaft verletzend!) für eine festgelegte Zeit (ca. 1 Minute) auf ihn ein. Während dieser Minute darf sich das Opfer nicht wehren sondern muß den Schmerz aushalten – eine Minute kann sehr lang sein. Die Angreifer können zusätzlich das Opfer in Form von Beleidigungen anbrüllen, um den mentalen Druck auszubauen. Nach der festgelegten einen Minute darf der am Bodenliegende sich eine Person aus der aktiven Gruppe heraussuchen und ohne Gegenwehr alles herauslassen, was sich über die Minute angestaut an.
Wir kennen alle die Videos, auf denen Weiße von Ausländern brutal zusammengeschlagen werden. Dort ist mit einem aufmerksamen Auge zu erkennen, daß sich unsere Leute gar nicht mehr zu Wehr setzen. Uns wurde abtrainiert auf unseren Körper zu vertrauen, ihn einzusetzen und für uns einzustehen. Unsere körperliche und mentale Widerstandskraft ist nicht mehr vorhanden. Die eigene Wehrhaftigkeit ist abhandengekommen und wir kennen keinen Schmerz mehr – können ihn nicht mehr aushalten. Wie kann daraus ein gesundes Selbstwert- und Körpergefühl entstehen wenn wir uns nicht abhärten? Kampfsport ist der ultimative und obligatorische Weg um zur eigenen Wehrhaftigkeit zurück zu finden. Der Schmerz ist, was Dich befähigt über Dich hinaus zu wachsen. Schmerz wiederholt sich und hört nie auf bis er ein Teil von Dir geworden ist – und er hat viele Gesichter.
Also, befreie und entfessle Dich selbst – die nächste Laterne gehört Dir.