Volkskraftwochen an der Sieg
Autor: Michael P.
Wer an diesem kühlen Montagabend Ende März 2022 eine bestimmte Brücke am Unterlauf des Flusses Sieg kreuzt, dem bietet sich ein ungewöhnlicher Anblick: Zwei Männer waten mit entschlossener Positur durch die schlammige Böschung und steuern zielstrebig auf das für seine Strömungen und Untiefen berüchtigte Flussbett zu. Obwohl beide die vierzig bereits überschritten haben, sind sie augenscheinlich in athletischer Verfassung und tauchen ab in kalten Fluten. Es handelt sich mit Frank Kraemer und Nikolai Nerling um zwei bekannte Aktivisten und Medienschaffende, die seit vielen Jahren im deutschfreundlichen Lager wirken. Der ebenso kurze wie kühle Badespaß ist nicht das Ende eines Gelages oder der Versuch, Spürhunde abzuschütteln – ganz im Gegenteil, er steht unter dem Motto der Volkskraftwochen. Dabei handelt es sich um eine Initiative von Volkslehrer Nerling, der die Deutschen seit 2019 aufruft für einige Zeit in bestimmten Dingen Verzicht zu üben. Bei den Daten orientiert er sich an der christlichen Fastenzeit, die sich immer zwischen Aschermittwoch und Karfreitag erstreckt. Wer mitmacht, der lässt die Finger von Dingen Alkohol, Nikotin, Koffein, Pornographie oder Computerspielen. Stattdessen heißt es Sport frei.
Körperliche Ertüchtigung – am besten in freier Natur. Ferner frönt man Sinnstiftendem und Völkischem wie traditionellem Gesang und Tanz oder vertieft sich in Dichtkunst, Philosophie sowie sonstiger Literatur unserer Heimat. Besonders symbolträchtig ist das sogenannte Anbaden, bei dem Nerling dazu auffordert in eisige Seen und Flüsse zu steigen, um die Widerstandskraft zu erhöhen und die Lebensgeister zu stimulieren. Eingesandte Mitschnitte veröffentlicht er auf seinem Telegramm-Kanal, um zum Mitmachen zu motivieren.
Der Ansatz ist richtig und löblich. Natürlich bleibt es jedem überlassen, in welchem Zeitraum er welche Dinge unternimmt um sich körperlich, seelisch, geistig und moralisch zu stählen. Aber die weit fortgeschrittene Degeneration auf allen genannten Ebenen, macht in Teilen leider auch vor dem deutschfreundlichen Lager nicht Halt. Mäßigung, Besonnenheit und Demut sind Tugenden, die wir häufig geringer gewichten als Mut, Kraft, Entschlossenheit und der glühende Zorn für die gerechte Sache zu streiten. Doch wer einmal einen 130-Kilo-Koloss mit senftriefender Bratwurst und Bierdose gesehen hat, der aus seinem „Disziplin ist alles“-T-Hemd quillt, dem wird das Problem rasch deutlich. Wer den Anspruch erhebt, zur Speerspitze des Volkes zu zählen, der macht sich unglaubwürdig, wenn er sich allzu sehr in Gemütlichkeit und Genuss verliert und dabei jegliche Härten meidet. Eben diese Härten formen bekanntlich den Charakter – egal, ob es der lange Gepäckmarsch ist, das fordernde Kampfsporttraining, eine bewusste Ernährung, die konsequente Beschäftigung mit anspruchsvoller Lektüre, das vorsätzliche Ausharren unter unwirtlichen Bedingungen oder vieles andere. Es sind diese Dinge, die uns stark machen. Die uns legitimieren voranzuschreiten und mit denen wir beweisen, dass wir unseren Worten auch Taten folgen lassen. Nerling hat das verstanden und hat diesem Grundsatz mit seinen Volkskraftwochen Form verliehen.