Creatin - Kraftstoff für die Muskeln?
Autor: Sillo NDS
Creatin, um kaum ein anderes Sportsupplement ranken sich so viele Mythen und Legenden wie um das Sagenumwobenen Creatin. Von Müttern die ihren Söhnen den Kauf verbieten, weil sie denken es seien illegale Steroide, bis hin zu Ärzten die ihren Patienten empfehlen den Konsum einzustellen um ihre Nieren zu retten. Doch was ist an den Gerüchten dran die so im Volksmund herumgeistern? Im Folgenden möchte ich versuchen, das Thema von einer wissenschaftlichen Seite aufzurollen. Nach und nach möchte ich die im Raum stehende Fragen aufgreifen und jedem wie eine Art Ratgeber mit an die Hand geben um mühselige Diskussionen und eigene Unsicherheit besser bewältigen zu können.
Was ist Creatin überhaupt und wie wirkt es in unserem Körper?
Creatin ist ein wichtiger Energieträger in unserem Körper und wird in der Leber, der Niere und der Bauchspeicheldrüse synthetisiert. Am häufigsten (zu 90%) ist Creatin in der Skelettmuskulatur zu finden. 1 bis 2 g produziert unser Körper am Tag sogar selbst. Da Creatin in allen Wirbeltieren vor kommt, finden wir Creatin vor allem in tierischen Produkten in größeren Mengen. Vor allem Fleisch und Fisch enthalten hier die größten Anteile. Wie wir sehen ist Creatin also ein natürliches Produkt, was unserem Körper nicht fremd ist, was jeder von uns in sich trägt und welches wir für verschiedene Prozesse im Körper und für die Energiegewinnung benötigen. Um genau zu verstehen wie diese Prozesse funktionieren und welche Prozesse das überhaupt sind, müssen wir ein bisschen in die Theorie gehen. Wenn unsere Muskeln kontrahieren, entsteht Adenosindiphosphat (ADP). Dieses muss jedoch wieder zu Adenosintriphosphat (ATP) umgewandelt werden. ATP ist ein wichtiger Energieträger in der Muskulatur und bei diesem Umwandlungsprozess kommt Creatinphosphat ins Spiel. Kurz und knapp lässt sich also sagen, Kreatin hilft dem Muskel dabei länger Energie bereit zu stellen um in die Kontraktion zu gelangen, bevor er übersäuert. Für Sportler heißt das konkret: längere Belastungsdauer bevor es zum Muskelversagen übergeht. Im Umkehrschluss kann also ein stärkerer Wachstumsreiz gesetzt werden, als mit weniger Creatin im Körper. Aber nicht nur für die Muskulatur, auch für die Organe, Gehirn und Nerven spielt Creatin eine wichtige Rolle. Gerade in der frühkindlichen Entwicklung in der sich all diese Bereiche entwickeln ist es wichtig keine Kreatin Unterversorgung zu riskieren. Ist dies der Fall können sogar ernste Störungen auftreten. In extremen Fällen sogar Autismus oder Epilepsie. Deshalb sei es auch Eltern geraten die auch für ihre Kinder einen veganen Lebensstil beschlossen haben, neben der Vitamin- und Nährstoffzufuhr auch regelmäßig auf den altersangemessen Creatinspiegel zu achten.
Ein letzter zu erwähnender Effekt von Creatin ist das ziehen von Wasser in der Muskulatur. Hört sich erstmal dramatischer an als es wirklich ist. Creatin wird in der Muskulatur am ehesten vom Körper benötigt. Also sammelt es sich logischer Weise auch dort an um im Ernstfall schnell reagieren zu können und da zu agieren wo es gebraucht wird. Da Creatin Wasser an sich bindet, vergrößert sich so auch der Muskelquerschnitt. Das ist zum einen ein Vorteil für die Optik, zum anderen hilft dieser Effekt gerade Kraftsportlern mehr Gewicht zu bewegen. Das liegt einfach daran, dass ein dickerer Muskelquerschnitt auch bessere Hebeverhältnisse mit sich bringt. Einfache Physik. Creatin, was der Körper nicht braucht, sprich was nicht mehr in die Speicher passt, wenn diese propevoll sind, wird vom Körper über die Nieren in Form von Urin ausgespült. Somit braucht man sich also keine Sorgen über eine Überdosierung machen. Wieso Ärzte jetzt trotzdem darin eine angebliche Gefahr sehen klären wir im späteren Verlauf.
Für welche Sportler macht Creatin Sinn? Und welche Dosierung ist empfehlenswert?
Neben den positiven Effekten für Kraftsportler hat sich Creatin jedoch auch in anderen Sportarten bewährt und beliebt gemacht. So ist belegt, dass Creatin durch die schnelle Energiebereitstellung auch positive Auswirkungen auf die Kurzzeitleistung hat, sprich auf die Schnell- und Explosionskraft. Diese ist zum Beispiel beim Kampfsport in Form von schnellen Schlägen erforderlich oder beim Sprinten im Fußball. Aber auch eine Verringerung der Zellschäden bei Ausdauersportarten ist belegbar. Hier dürften Marathonläufer aufmerksam werden, aber auch wieder der Kampfsportler der vielleicht über 12 Runden im Ring stehen muss. Bei der Dosierung sollte man jedoch beachten, was die sportlichen Ziele sind, bzw. in welcher Sportart man sich bewegt. Ein Kraftsportler oder Bodybuilder wird zum Beispiel mehr von dem Effekt profitieren, dass Creatin auch Wasser in die Muskulatur zieht. Aus dem Grund kann dieser auch ohne Bedenken mehr Gramm konsumieren ohne für seine Sportart einen Nachteil zu befürchten. 1g pro 10 Kilo Körpergewicht sind definitiv unbedenklich und eine gängige Dosierung, wenn man sich bei führenden und erfolgreichen Trainern im Kraft- und Bodybuildingsektor umhört. Ein Marathonläufer oder Boxer der unnötig viel Wasser mit sich rumschleppen muss hat sicherlich nicht so einen großen Effekt im Verhältnis zu der Leistungssteigung durch das ATP. Hier würde sich dann eine Menge von 0,5 g pro 10 Kilogramm Körpergewicht empfehlen. Es ist jedoch zu sagen, dass jeder Athlet am besten selbst für sich entscheidet mit welcher Menge er sich am wohlsten fühlt und die besten Leistungen für sich und seinen Sport abrufen kann. Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass es zwar wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die einem beim Entscheidungsprozess unterstützen können, aber am Ende des Tages ist jeder Körper unterschiedlich und die Fähigkeit zur Reflexion ist mit eine der wichtigsten Fähigkeiten, die sich ein Sportler antrainieren sollte um sich zu optimieren.
Was sind so die gängigen Mythen um Kreatin?
Gerade im Kraftsportbereich hält sich das Gerücht wacker, dass Creatin auch Wasser unter der Haut speichern würde. Wäre dies der Fall, würde man dadurch also einen schwammigen Look bekommen trotz niedrigen Körperfettanteil. Warum sich diese Behauptung so lange hält, lässt sich nur vermuten. Lange Zeit wurde zum Beispiel behauptet das Creatin besser wirken würde in Verbindung mit Zucker, da so das Insulin, so die Theorie, dass Creatin besser in die Muskulatur transportiert. Das konnte nie durch Studien belegt werden, hält sich jedoch beständig. Zucker hat bekanntlich viele Kalorien und dürfte so dem ein oder anderen Sportler den Körperfettanteil unbeabsichtigt in die Höhe getrieben haben. Im Volksmund war der Schuldige dann wohl einfach das Creatin. Eins steht jedoch fest: Unter der Haut hat Creatin keinen nennenswerten Geltungsbereich, dementsprechend also auch keine Möglichkeit Wasser zu ziehen. Der am meisten verbreite Mythos ist jedoch der, dass Creatin die Nieren schädigen würde. Dies wird vor allem von Ärzten immer noch vertreten, die jedoch leider wenig Kompetenzen im sportlichen Bereich aufweisen. Creatin gilt als das meist erforschte Supplement im Kraftsportbereich und warum gerade Ärzte davor warnen, hat einen ganz bestimmten Grund. "Creatinin" wird als Messwert für Nierengesundheit in unserem Blut gemessen. Creatinin ist aber ein natürliches Abfallprodukt, welches bei der Verstoffwechselung von Creatin anfällt. Der Creatininwert wird jedoch auch in die Rechnung mit einberechnet die es bedarf, um die Glomerulären Filtratiosrate (GFR) zu ermitteln. Die GFR soll uns Auskunft über unsere Nierengesundheit geben. Aber ähnlich wie beim BMI wird selten einberechnet der Sportler, vor allem Kraftsportler, einen erhöhten Bedarf an Creatin durch die Aktivitäten und erhöhte Muskelmasse haben. Weitere Mythen beschäftigen sich noch damit, wann man Creatin am besten einnehmen sollte oder mit welchem Lebensmittel.
Der ein oder andere Leser wird jetzt wahrscheinlich aus dem was er bis jetzt gelesen hat schon schlussfolgern, dass der Spiegel im Blut ausschlaggebend für den Effekt ist, sprich die tägliche Einnahme. Jedoch gibt es trotzdem einige Dinge die bei der Einnahme beachtet werden sollten. Einige Leute haben Probleme, Creatin auf nüchternen Magen zu nehmen, weshalb sich einfach eine Hauptmahlzeit als Begleitung anbietet. Auch sollte darauf geachtet werden möglichst viel zu trinken, da ja Wasser in der Muskulatur eingelagert wird. 1 L pro 20 kg Körpergewicht sind definitiv ein guter Richtwert. Da Creatin auch harntreibend wirkt, ist eine abendliche Einnahme nicht zu empfehlen um die Regeneration des Nachtschlafes nicht durch mehrmalige Toilettengänge zu behindern.
Ein weiterer Mythos der eher auf Marketing technischer Natur zurück zu führen ist, sind die verschiedenen Creatin Komplexe die eine bessere Wirksamkeit versprechen. Argumente der Hersteller sind hier eine bessere Bioverfügbarkeit und schnellere Aufnahme in die Blutlaufbahn. Schaut man sich jedoch an, wie Creatin funktioniert und im Körper arbeitet weiß man, dass diese Versprechungen irrelevant für die Wirksamkeit von Creatin sind. Sind die Speicher voll und werden jeden Tag wieder aufgeladen, ist es komplett unerheblich wie schnell Creatin vom Körper aufgenommen wird. Ein einfaches Creatin Monohydrat reicht hier vollkommen aus und schont den Geldbeutel. Das gesparte Geld kann lieber in gute Lebensmittel reinvestiert wird.
Eine Empfehlung an die Damenwelt sei in Zusammenhang mit der Einnahme noch zu treffen. Habt keine Angst vor der täglichen Zufuhr. Oft hört man die Sorge, dass Creatin aufschwemmt und zu einer Gewichtszunahme führt. Erstes ist dem aufmerksamen Leser sicher schon aufgefallen, dass es sich hierbei um einen Mythos handelt. Die Gewichtszunahme stimmt jedoch, ist aber einfach auf die zusätzliche Wassereinlagerungen in der Muskulatur zurück zu führen. Die Waage alleine ist also kein Maßstab für die Ästhetik der weiblichen Figur. Sind die Muskeln durch das zusätzliche Wasser praller, so kommt auch die Linie einer Frau besser zur Geltung. Außerdem können auch Frauen durch Creatin intensiver trainieren. Im Umkehrschluss heißt das natürlich auch höherer Kalorienverbrauch, was der Senkung des Körperfettanteils zuträglich ist, sofern man sich in einer Diät befindet. Pralle Muskeln, vor allem im Bein-/Pobereich in Verbindung mit einem höheren Kalorienverbrauch dürfte wohl für die meisten Frauen eine sehr attraktive Aussicht sein.
Abschließend ist zu sagen, dass Creatin mit eines der günstigsten Supplemente ist die man erwerben kann und im Verhältnis zu seinem Effekt wohl am meisten Sinn ergibt, als Nahrungsergänzung in sein Supplementpool aufgenommen zu werden. Die Forschung und Studienlage lässt einen, sofern man sich mit der Materie beschäftigt, aufatmen und die Bedenken die man so hört getrost beiseiteschieben. Der Selbstoptimierung steht also nichts mehr im Weg!
Über den Autor:
Einige kennen mich vielleicht als das sportliche Gesicht hinter der NDS Crew und Initiator der Germanen Herausforderung auf YouTube. Ich selbst habe meinen sportlichen Werdegang mit 16 begonnen. Meine Grundvoraussetzungen waren nicht die Besten. Von Natur aus hatte ich die Veranlagung viel Körperfett zu speichern und mit wenig Muskulatur gesegnet zu sein. Im Laufe meiner sportlichen Karriere habe ich viele Fehler gemacht, woraus ich zwar gelernt habe, die ich aber anderen ersparen möchte indem ich mein Wissen welches ich mir über die Jahre angeeignet habe mit euch teile. Ich Blicke nunmehr auf 14 Jahre sportliche Erfahrungen zurück und habe in einigen Bereichen meine Erfahrungen gesammelt. Kampfsport, Powerlifting, Körpergewichtstraining und Bodybuilding sind Bereiche, in denen ich mich bis jetzt ausprobiert habe. Auch durfte ich an mir selbst die Prozesse der starken Gewichtsab- und Zunahme erleben. Durch meine praktischen Erfahrungen konnte ich so bis jetzt vor allem jungen Leuten durch Trainings- und Ernährungspläne helfen, ihre sportlichen Ziele zu verwirklichen und versuche durch meinen Content auf Instagram möglichst viele zu motivieren, sich mehr sportlich zu betätigen.
Nur aus einem starken Körper erwächst ein starker Geist, wohl aber auch in umgekehrter Reihenfolge. In diesem Sinne, Sport frei!
Quellen:
Ziegenfuss, Tim N., Lonnie M. Lowery, and PETER WR Lemon. „Acute fluid volume changes in men during three days of creatine supplementation.“ J Exerc Physiol 1.3 (1998): 1-9.
Saab, George, et al. „Changes in Human Muscle Transverse Relaxation Following Short‐Term Creatine Supplementation.“ Experimental physiology 87.3 (2002): 383-389.
Kreider, Richard B., et al. „International Society of Sports Nutrition position stand: safety and efficacy of creatine supplementation in exercise, sport, and medicine.“ Journal of the International Society of Sports Nutrition 14.1 (2017): 18.
Baxmann, Alessandra Calábria, et al. „Influence of muscle mass and physical activity on serum and urinary creatinine and serum cystatin C.“ Clinical Journal of the American Society of Nephrology 3.2 (2008): 348-354.